Telegram: Krypto-Milliardär Justin Sun gründet DAO für Pavel Durov, Ton-Coin stürzt ab
Nachdem Telegram-Gründer Pavel Durov in Frankreich verhaftet wurde, macht sich weltweit Unsicherheit breit, wie es mit dem beliebten Messanger weiter gehen wird. Auch in der Krypto-Szene spürt man die Schockwellen.
So gut wie jeder, der was mit Krypto macht, benutzt auch Telegram. Jedes Projekt, jeder Coin, jedes Medium hat einen Kanal oder eine Chatgruppe. Auch unser Blog. Dementsprechend lässt die Verhaftung von Pavel Durov, dem Gründer und Chef von Telegram, kaum einen kalt.
Tron-Gründer Justin Sun, ein prominenter Krypto-Milliardär, macht sich nun für Durov stark. Er schlägt auf Twitter (heute X) vor, eine DAO, eine dezentrale autonome Organisation zu schaffen, um dem Telegram-Gründer zu helfen, wieder frei zu kommen. Bei ausreichendem Community-Support werde er eine Million Dollar spenden.
Wie und was genau bleibt aber noch offen. Jemand erinnert Justin Sun auf Twitter (heute X) daran, dass Pavel Durov selbst Geld wie Heu habe, dies aber einer der Fälle sei, bei denen Geld nichts bringe. Welchen Sinn es nun ergibt, dass die Krypto-Community für Pavel sammelt, ist tatsächlich schwer zu ergründen.
Interessant ist hingegen, dass eine DAO sich als Instrument etablieren könnte, um zweckgebunden Geld einzusammeln und zu verwalten, ohne den Missbrauch durch Verantwortliche zu fürchten. Ein solches Modell wurde auch schon für den SilkRoad-Administrator Ross Ulbricht und Wikileaks-Gründer Julian Assange erprobt.
TON-Kurs im 7-Tagesschnitt nach coinmarketcap.com
Direkter zu spüren bekommt die Community Durovs Verhaftung hingegen schon in der Wallet. Der eng mit Telegram verbundene Toncoin (TON = The Open Network) brach von etwa sechs auf etwa fünf Euro ein, verlor also rund 20 Prozent. Allerdings lag der Coin noch Anfang des Jahres bei knapp zwei Euro, er bleibt selbst nach dem Absturz einer der stärksten Kryptowährungen und ist weiterhin auch gegen Bitcoin deutlich im Plus.
Toncoin-Kurs in Bitcoin im 12-Monats-Verlauf nach coimarketcap.com
Pawel Durov war am Samstag mit seinem Privatjet nach Frankreich geflogen und wurde dort verhaftet. Frankreich wirft ihm vor, nicht entschieden genug gegen Drogenhandel, Betrug und Kindesmissbrauch auf Telegram vorgegangen zu sein. Er habe sich geweigert, mit französischen Strafverfolgern zu kooperieren und mache sich mitschuldig an Terrorismus, Rauschgifthandel, Hehlerei und Geldwäsche.
Durov, der 2006 die russische Plattform VKontakte gegründet hatte, sozusagen das russische Facebook, gründete 2013 Telegram. Er kam mehrfach in unschönen Kontakt mit der russischen Regierung, etwa als er sich weigerte, die VKontakte-Seite des Oppositionellen Alexej Navalny zu sperren. Mittlerweile lebt er in Dubai und führt von dort aus Telegram. Über seine aktuelle Beziehung zur russischen Regierung herrscht Unklarheit.
Der Messanger hat weltweit rund eine Milliarde Nutzer. Er ist ein vorzügliches Instrument für Chatgruppen und Kanäle und hat in der Krypto-Szene längst festen Fuß gefasst. So gut wie jedes Unternehmen und Projekt hat seine eigene Gruppe – im guten wie im schlechten. Denn auch Betrug und Marktmanipulation wird oft genug von Telegram-Gruppen aus verabredet.
In den letzten Jahren hat sich Telegram auch zum Epizentrum der Desinformation entwickelt. Es gibt eine ganze Flut an Telegram-Gruppen, die die Täter-Opfer-Umkehr im Ukraine-Krieg zu ihrem täglichen Handwerk machen oder sich krampfhaft am Corona-Thema festbeissen. Im Zuge des russischen Massenmords in der Ukraine dient die Plattform auch der Koordination des Militärs, während der russische Staat bis hinauf zur Zentralbank und zum ehemaligen Präsidenten Dmitri Medwedew wie selbstverständlich Kanäle unterhalten. Dies spricht dafür, dass die Regierung ihren Frieden mit Telegram gemacht hat.
Der Zugriff auf Pavel Durov wird weltweit stark kritisiert. Tatsächlich könnte ein Shutdown von Telegram ungünstige Folgen für die Meinungsfreiheit haben und die Kommunikation vieler unschuldiger Gruppen massiv stören. Zugleich jedoch könnte sich Frankreich damit einen mächtigen Hebel aneignen, um nicht nur gegen Desinformation vorzugehen, sondern auch die militärische und politische Kommunikation Russlands erheblich anzugreifen. Wie sich diese spektakulärste Verhaftung des bisherigen Jahres ausspielen wird, wird sich noch zeigen.